Chess Hellfire - Für alle meine Freunde
  Cats World 2005
 

Cats World

 Eines Morgens wachte ich auf. Wie immer. Ich streckte mich und kratzte mich hinter meinem Ohr. Dann putze ich mich. Voller Lebensenergie tapste ich auf meinen Napf zu, der in der Küche stand. Heute morgen gab es Nassfutter mit Hünchen. Dies war meine Lieblingssorte. Ich war gerade wenige Wochen alt. Ich kann mich nicht mehr wirklich an meine Mutter und meine 5 Geschwister erinnern, aber wie ich das erste mal meinem Hausherren begegnete. All zu lange war es ja noch nicht her gewesen.

Mit meinem Bauch voll Futter torkelte ich zufrieden dreinschauend ins Wohnzimmer zurück. Mein Hausherr hatte lange am Computer gearbeitet und war auf dem Sofa eingeschlafen. Er sah recht freundlich und zufrieden aus, doch schien ihn tagsüber etwas zu bedrücken. Es prägte sein Leben so, dass er kurz nachdem er mich aufgenommen hatte gekündigt hatte.

Ich sah ihn an, wie er zufrieden in die Wolldecke gekuschelt dalag und schlief. Schließlich sprang ich auf das Sofa und lief ihm sanft übers Gesicht. Als er aufwachte und hochschrak, fiel ich auf den harten Fliesenboden. Glücklicherweise kam ich auf allen Vieren auf, wie es nun mal so war bei einer Katze. Mein Herr sah mich grinsend an und sagte schließlich nur soviel: „Du sollst doch nicht auf meinem Gesicht rumspazieren, wenn ich schlafe.“ Weiter lächelnd nahm er mich und streichelte mich. Ich war noch so jung und klein, dass ich locker in seiner Handfläche Platz hatte. Dann schlief ich ein. Geplagt von einem Alptraum erwachte ich in meinem Körbchen. Er war weggegangen. Ich hörte ihn nirgends im Haus. Ich sprang auf und setzte mich auf die Couch. Dort sah ich im Zimmer umher. Überall im Wohnzimmer standen und hingen Bilder. Ich sprang auf den Wohnzimmertisch und erkundete diesen. Achtsam sah ich mich um, da ich nicht wollte dass mein Herr bemerkte dass ich auf dem Tisch gewesen war, da ich es eigentlich nicht durfte. An einer Wand hingen viele Bilder, mit meinem Herren und einem Mädchen. Sie war sehr hübsch gewesen. Zu gerne hätte ich sie mal persönlich getroffen. Oft hatte ich dieses Mädchen schon in meinen Träumen gesehen, ebenso meinen Herren. Sie hatten viel Spaß miteinander in meinen Träumen. Doch immer endete der Traum grauenvoll. Ich sah das Mädchen auf einer Straße, blutüberströmt, wie es starb.

Seit ich mich erinnern konnte, also kurz nachdem mich mein Herr gefunden hatte, hatte ich diesen Traum. Er kam, mit dem ersten Blick, dem ich ihm zuwandte. Wenn er zu lange in meiner Nähe war, musste er stets niesen und bekam rote Augen, doch trotz allem hatte er mich in sein Haus aufgenommen.

Auf den Bildern sahen mein Herr und das Mädchen immer sehr glücklich aus. Als ich einen unbewussten Schritt machte, tapste ich auf etwas klebriges, aber es war zugleich rutschig. Ich blickte zu meiner Pfote und sah ein Bild. Es war ein Passbild, nur allein mit dem Mädchen abgebildet. Da hörte ich die Türe und sprang vom Tisch. Hetzte in den Flur und rannte meinem Herrn entgegen. Er lächelte und stellte das eingekaufte auf den Boden. Ich lief ihm mehrmals zwischen die Beine durch, bis er mich schließlich hochhob und streichelte. Er grinste wieder und küsste mich dann auf die Stirn. Ich begann aus Freude zu schnurren.

Wochenlang ging es so weiter. Nächtlich hatte ich diese Alpträume und immer starb das Mädchen darin und mein Herr blieb zurück. Ich schlief nie richtig durch und war tagsüber richtig ausgepowert.

Ich wuchs schnell heran und wurde zu einer richtig schönen Katze. Eines Morgens ging ich in das Schlafzimmer und stellte mich vor den Schrank, in dem ein großer Spiegel integriert war. Ich sah mich dort. Ich wusste nicht woher ich das Wissen besaß, dass ich mich in diesem Gegenstand sehen konnte, ebenso woher ich wusste, dass Katzen sich darin eigentlich nicht sahen. Irgendetwas war in meiner Vergangenheit vorgefallen. Sozusagen in meinem Leben.

Für kurze Zeit verdrängte ich diese Gedanken, bis zu dem Tag, als wir umzogen. Mein Herr legte mich in einen geflochtenen Korb, mit einer kleinen Gittertür. Und schließlich fuhren wir weg. Ich wollte nicht wirklich wissen, was noch vor mir lag, deshalb schlief ich. Bis ich aufwachte.. Mein Korb war auf und ich konnte heraus. Ich war in einem kleinen Zimmer, mit Möbeln, aus schwarzem und braunem, fast rotem Holz. Ein Bett mit Samt überzogen, unter dem man sich super verstecken konnte. Und daneben stand mein Körbchen. Neben der Türe stand mein Wasser und mein Essen. Ich sprang auf das Bett und schaute durch das Zimmer. Da ging die Türe auf. Mein Herr kam herein, mit einem großen Karton in der Hand. Ich miaute laut auf. Ich freute mich ihn wieder zu sehen. Er schloss nicht die Türe hinter sich. Da kamen noch zwei weitere Personen herein. Es waren eine Frau und ein Mann mit Brille. Sie kamen mir bekannt vor.. Doch ich konnte mich nur noch schlecht daran erinnern. Als kleine Babykatze war ich ihnen schon einmal begegnet, aber das lag schon zu lange für mich zurück. Mein Herr sprach mit ihnen, neben zu packte er aus dem Karton aus. Es waren die vielen Bilder, die mit dem Mädchen und ihm. Die Frau fragte ihn: „Du kannst sie wohl noch immer nicht vergessen, oder?“ Traurig nickte er. Mir wurde irgendwie komisch, nachdem ich die zwei anderen Menschen gesehen hatte. Irgendetwas bohrte sich durch mein Gedächtnis. Etwas, was ich schon lange verdrängt hatte.

Schließlich stahl ich mich an meinem Herrn und den anderen zwei vorbei, die logischer Weise seine Eltern waren. Ich verließ das Zimmer und ging den Flur entlang. In das Bad, das prachtvoll mit schwarzen und weißen Fließen war. In einer Ecke stand mein Katzenklo. Es kam mir alles so vertraut vor. Schließlich lief ich die Treppen nach unten, die links um die Kurve gingen. Unten war ein Esszimmer mit großem Tisch und wunderschönen Stühlen. Ich erkundete mich im Wohnzimmer, dort war ein prunkt voller Holzofen. Als ich in den Keller ging blieb ich in einem großen Zimmer sitzen. Ich sah mich eine Zeit lang um. Nach zehn Minuten hörte ich, wie jemand die Haustüre öffnete und offen lies. Ich rannte die Treppen hinauf, in Windeseile und aus dem Hause heraus, die Treppen hinunter und raus in den Hof. Dort blieb ich schließlich sitzen. Inmitten im Hof. Ich starrte auf ein Haus gegenüber. Irgendetwas stimmte nicht. Ich hörte wie jemand von hinten kam, langsam an mich heran. Dann blieb die Person stehen. Ich blickte kurz um, es war mein Herr. Er sah mich an. Dann drehte ich meinen Kopf wieder in Richtung des Hauses. Ich starrte Minuten lang auf dieses Haus. Ich versuchte irgend eine Botschaft zu entschlüsseln, aber ich wusste nicht was für welche.

Ich hörte weitere Schritte. Es kamen noch drei weitere Personen. „Warum starrt deine Katze so auf das Haus?“ „Ich weiß es nicht.“ Weiter, ohne es zu merken saß ich Minuten und sogar Stunden da und starrte nur dieses eine Haus an. Die anderen waren bereits ins Haus gegangen. Als es dunkel wurde kam mein Herr heraus und nahm mich zurück ins Haus. Erst als wir im Haus zurück waren, wandte ich meine Blicke von dem Haus ab. Diese Nacht holte mich mein Herr zu sich ins Bett. Und es war die erste Nacht, die ich durchschlief, und in der ich nicht diesen Alptraum hatte, die erste Nacht in einem neuen, aber merkwürdigerweise vertrautem Zuhause. Morgens wachte ich auf, als mein Herr erwachte. Er grinste mich lieb an und streichelte mich eine Zeit lang. Dann stand er auf und zog sich an. Wie gerne wäre ich doch manchmal ein Mensch gewesen. Doch leider war ich nur eine Katze, ein Haustier. Doch nicht immer fühlte ich mich so. Es kam mir oft so vor, als ob ich das nicht immer gewesen wäre, eine Katze, ein Haustier. Als mein Herr das Zimmer verlassen hatte, sah ich mir die Bilder von ihm und dem Mädchen noch einmal an, wieder und wieder. Er hatte sie alle aufgehängt und aufgestellt. Und das Passbild lag auf dem Bett neben dem Kopfkissen. Wieder und wieder sah ich mir die Bilder an. Doch ich wusste nicht so recht, was ich damit anfangen sollte. Mir fiel nicht das ein, was ich mir erhoffte.

Mein Herr hatte die Türe einen Spalt offen gelassen. Ich ging in das Erdgeschoss und sah aus dem Wohnzimmerfenster, auf das Haus gegenüber. Ich erhoffte mir einen Hinweis, darauf, was ich schon so lange versuchte zu verstehen. Wieder saß ich Stunden da und schaute nur dieses eine Haus an. Mein Herr kam nach nicht all zu langer Zeit in das Zimmer und streichelte mich: „Was schaust du dir denn da an?“ Fragte er. Ich wandte mich zum ersten mal nach etlichen Minuten von dem Hause ab und schaute ihn an. Er lächelte, und blickte stets verständnisvoll.

Irgendwo hatte ich dieses Lächeln schon einmal zuvor gesehen... Vielleicht in meinem früheren Leben? Doch woher wusste ich, dass es so etwas überhaupt gibt? Wer hatte mir das gesagt? Ich konnte einfach keine Zusammenhänge finden. Nach weiteren fünf Minuten, in denen mich mein Herr gestreichelt hatte, sprang ich vom Fenstersims und ging weiter in das Zimmer, in Richtung Flur. Ich drehte mich um und blickte meinen Herrn an. Er sah zu mir rüber. Wieder ging ich ein Stück und blickte dann um zu ihm. Ich wollte dass er mir folgte. Noch ein letztes Mal wiederholte ich diese Prozedur. Schließlich folgte er mir dann. Schnell rannte ich hoch in sein Zimmer, auch mein Zimmer. Ich sprang auf das Bett, nahm das Passbild des Mädchens in mein Maul und legte es in die Mitte des Bettes, dann als mein Herr das Zimmer betrat, sah ich ihn an. Er kam zu mir. Ich starrte auf das Passbild, dann wieder ihn an. Schließlich wieder auf das Passbild. Er setzte sich neben mich. „Möchtest du wissen, wer sie war?“ Dann schaute ich wieder ihn an. Er nahm das Passbild in die Hand und schaute es an. Ich stützte mich mit meinen Vorderpfoten auf seinem rechten Arm ab und schaute ebenfalls auf das Passbild. Dann begann er zu erzählen: „Ich hab sie damals über Freunde kennen gelernt. Zuerst war sie mir zu komisch. Doch nach einem Jahr war sie anders geworden. Eines Tages hatte es dann gefunkt zwischen uns zwei. Es war vom ersten Tag an wunderschön mit ihr. Ich veränderte sie, und sie mich. Heute bin ich froh, dass ich mich so gewandelt habe. Doch ich hatte andere Pläne gehabt. Ich hatte noch andere Träume, die ich verwirklichen wollte, ich wollte zu hoch hinaus. Eines Tages, es war im Frühjahr vor einem Jahr, als sie mit mir hier zuhause bei meinen Eltern war. Wir stritten auf einmal. Es war der erste richtige Streit. Dann rannte sie hinaus aus dem Haus, in den Hof und auf die Straße. Ein Auto kam angerast und erwischte sie. Es gab einen lauten Knall. Als ich aus der Türe heraus kam, lag sie auf dem Boden. Alles war voller Blut! Sie starb noch in meinen Armen, hier auf der Straße! Auf der Straße vor meinem neuen Zuhause. Das Haus, das du die ganze Zeit angestarrt hast, es ist das Haus in dem wir vor zwei Jahren um diese Zeit gewohnt haben. Am selben Tag ihres Todes schlich sich eine Katze zu uns ins Haus und bekam dort sechs junge Kätzchen. Wir bemerkten nur fünf. Nach drei Wochen nahm die Katze ihre Jungen und verließ das Haus. Drei Wochen nach dem Tod meiner Freundin tauchtest du, die sechste Katze des Wurfes in meinem Zimmer auf. Einen Tag vor meinem Umzug. Es schien Schicksal zu sein. Ihr Todestag war dein Geburtstag, deshalb habe ich dich schließlich behalten.“ Er sah mich an, mit traurigem Blicke und Tränen im Gesicht. Ich schmuste mich an ihn hin. „Es ist, als ob du jedes einzelne Wort verstehen würdest, jedes einzelne, das ich dir erzähle.“ Ich sah ihn an, starrte ihm lange Zeit in die Augen. Diese Nacht schlief ich erneut zu seinem Trost in seinem Bett, wie ich es die nächsten Nächte ständig machte. In einer Nacht hatte ich wieder diesen Alptraum. Nur dieses Mal erzählte er eine ganz andere Geschichte. Ich sah das Mädchen von den Bildern aufwachsen. Vom ersten Tag der Geburt an, bis zur Einschulung und zur Entlassfeier der Schule. Es lief alles schnell an mir vorbei, wie ein Film, bis mein Herr vorkam. Von da an verging es langsamer. Ich sah all das, was mein Herr mir erzählt hatte, die Zeit, die er mit dem Mädchen verbracht hatte. Und dann sah ich den Tag, an dem sie sich stritten und sie aus dem Haus rannte. Schließlich hatte ich wieder die Unfallszene vor den Augen, doch dieses mal war es anders. Ich sah zuerst das Mädchen aus dem Haus rennen, dann sah ich mit ihren Augen, ich sah alles mit ihren Augen. Es war als rannte ich auf die Straße. Ich rannte auf die Straße und schaute inmitten nach rechts und nur noch das ankommende Auto. Dann war alles schwarz vor Augen. Als es dann wieder heller wurde sah ich das verweinte Gesicht meines Herren. Plötzlich sah ich wieder alles in den Augen einer dritten Person. Ich sah wie alles voller Blut war und mein eigener Körper, der der Katze auf der Straße lag.

Nun wusste ich, wer ich einst gewesen war. Ich war im früheren Leben das Mädchen von den Bildern, die verstorbene Freundin meines Herren, die genau heute vor einem Jahr auf derselben Straße von einem schwarzen BMW überfahren wurde und dabei ums Leben kam. Ich wurde wiedergeboren in einer Katze, im Haus meines Geliebten und starb ein weiteres Mal, wieder durch den BMW von damals in den Händen von der einzigen Person, mit der ich je beisammen war.

ENDE

 
 
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